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2. offener Brief an Bildungsministerin Feußner

Lehrer gesucht

Sehr geehrte Frau Feußner,

nach meinem offenen Brief vom 27.06.2023 habe ich mit Spannung auf eine persönliche Reaktion von Ihnen gewartet und hätte gern auch gemeinsam mit Ihnen nach einer Lösung des Problems gesucht. Leider ließen Ihre selbstredend viel wichtigeren anderen Termine es nicht zu, sich als Bildungsministerin persönlich um ein Bildungsproblem auf dem flachen Land im äußersten Süden unseres Bundeslandes zu kümmern.

Erhalten habe ich lediglich einen Anruf und eine Mail Ihres persönlichen Referenten.

Außer „Wir hätten ja erstmal reden können.“ und „Da muss man doch nicht gleich einen offenen Brief schreiben und an die Presse gehen.“ sowie einer Sachverhaltsdarstellung der Vergangenheit und einer Prophezeiung besserer Zeiten kam da leider nicht viel. Nur die vage Ankündigung, sich gern mit uns zusammen an einen Tisch setzen und die Probleme besprechen zu wollen. Wenige Tage später dann jedoch eine Mail des Landesschulamtes, aus der hervorgeht, dass an einem Gesprächstermin, zu dem unsere Gemeinde Elsteraue einlud, kein Mitarbeiter Ihres Ministeriums teilnehmen wird. Schon da zweifelte ich an Ihrem ernsthaften Willen, dieses schwerwiegende Problem zur Chefsache zu machen, wie es z.B. bei uns auf kommunaler Ebene üblich ist.

Die Krönung sind aber Ihre Aussagen im MDR am 16.08.2023. Spätestens jetzt dürften sich auch alle Eltern wundern. Sprechen Sie doch offen aus, dass die Angst vor Bildungsdefiziten berechtigt ist, Sie aber jetzt erst anfangen zu eruieren, was dagegen getan werden kann (*Wortlaut und Link zur MDR-Mediathek am Ende des Artikels)

Auch die Kommunen haben den demografischen Wandel zu bewältigen. So mussten auch wir sowohl den Generationenwechsel in den Kitas und Horten als auch in der Verwaltung bewältigen. Daher ist uns klar, dass man kein studierter Mathematiker sein muss, um einige Jahre in die Zukunft voraus prognostizieren zu können, wie viele Lehrer altersbedingt ausscheiden und wie viele Kinder die Schulen besuchen werden, um daraus zu ermitteln wie viele Lehrer im Jahr X gebraucht werden.

Nun ist die aktuelle Situation natürlich ein Umstand, der nicht rückgängig zu machen ist. Allerdings haben wir bereits im letzten Schuljahr ausführlich auf die Probleme in unseren Grundschulen hingewiesen, welche landesweit sicher ähnlich sind. Es ist daher völlig unverständlich, dass wir mit heutigem Schulanfang immer noch keine Lösung haben und Sie jetzt erstmal schauen wollen, wie es eventuell gehen könnte. Das verstehen wir als Hohn für alle Schüler, Eltern, Lehrerinnen und Lehrer.

Das Problem nun an das Landesschulamt abzugeben, welches wiederum nach unten auf das Lehrerkollegium Druck ausübt und Maulkörbe verteilt, damit die Wahrheit nicht bei den Eltern ankommt, ist eine weitere bodenlose Frechheit. Wenn schon treten, dann bitte schön nicht auf die, die die Fahne noch hochhalten und nach besten Kräften versuchen, die Kinder so gut wie möglich zu unterrichten. Für dieses Schuljahr waren in unseren beiden Grundschulen zusammen eigentlich 13 Klassen geplant. Nunmehr haben wir 10 Lehrkräfte und 2 Direktorinnen, so dass maximal 12 Klassen möglich sind und beide Direktorinnen selbst eine Klasse vollständig übernehmen müssen. Die Situation hat sich somit seit dem letzten Brief nicht nur nicht verbessert, sie hat sich sogar noch dramatisch verschlimmert.

Ich weiß nicht ob Sie schon einmal dauerhaft eine Klasse mit deutlich mehr als 30 Schülern beschult haben? Auch ich habe dies nicht. Aber jedenfalls sind wir, ich und meine zuständigen Mitarbeiter, regelmäßig in den Grundschulen im Gespräch mit Eltern und Lehrkräften. Wir kennen also die Basis. Wir wissen, wovon wir sprechen. Und wir wissen, dass der gegenwärtige Zustand sowohl für Schüler, als auch für die Lehrkräfte auf Dauer unhaltbar ist. Er wird zwangsläufig zu weiterer Überlastung, Krankheit und Unterrichtsausfall führen. Und wir sind uns sicher, dass die vom Landesschulamt bevorzugten größeren Schulen zu größeren Klassen führen, für die dann insgesamt weniger Lehrer benötigt werden. In größeren Klassen aber verschlechtert sich automatisch die Lehr- und Lernsituation jedes einzelnen Schülers und Lehrers.

Ich verwahre mich zudem gegen jedwede direkte und indirekte Einmischung des Landesschulamtes in kommunale Angelegenheiten. Auch wenn in der Gemeinde in Zeiten klammer Kassen die Notwendigkeit aller Grundschulstandorte besprochen werden muss, liegt es immer noch in der Entscheidungsgewalt unseres von den Bürgern gewählten Gemeinderates, wie sich die Gemeinde in Bezug auf ihre Grundschulen aufstellt. Bis dahin haben wir als Gemeinde Elsteraue die räumlichen, sachlichen und in Bezug auf unsere Hausmeister und Schulsekretärinnen auch personellen Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Beschulung unserer Kinder zu schaffen. Gern können Sie sich bei einem Besuch davon überzeugen, dass wir unsere Hausaufgaben gemacht haben.

Nunmehr liegt es, wie Sie selbst im MDR-Interview feststellten, an Ihrem Bildungsministerium, die Unterrichtsversorgung an unseren Grundschulen sicherzustellen. Wenn Sie dabei nur „hoffen“, dass dies in vielleicht 4 bis 6 Wochen der Fall sein könnte, dann ist das einfach zu wenig. Vielmehr muss das Bildungsministerium alles Erdenkliche dafür tun, die Unterrichtsversorgung in ganz Sachsen-Anhalt flächendeckend und schnellstmöglich sicherzustellen.

Ein weiterhin fatales Zeichen Ihres Ministeriums und des Landesschulamtes ist die offensichtlich ungewollte Kommunikation und Offenheit gegenüber uns, den Eltern und Ihren eigenen Lehrkräften. Die oben genannte Situation und die nun eingetretene Verschärfung sind Ihnen schon seit längerem bekannt, werden in Ihrem Haus aber totgeschwiegen. Vielmehr wird sogar angewiesen, kein Wort darüber zu verlieren. Die Menschen im Land haben aber ein Recht darauf, ausführlich, zeitnah und vor allem vollständig informiert zu werden. Verzichten Sie daher auf die im Landesschulamt gelebte Praxis zum Verhängen von „Maulkörben“ oder informieren Sie die Betroffenen selbst.

Zu guter Letzt bitte ich Sie erneut, an den Termin in unserem Haus am 31.08.2023 persönlich teilzunehmen und unsere Schuldirektorinnen dabei frei sprechen zu lassen.

 

Hochachtungsvoll

Andreas Buchheim
Bürgermeister Gemeinde Elsteraue

 

Link zum Artikel in der MDR-Mediathek

Wortlaut des Interviews

MDR-Moderator Stefan Bernschein
Bildungsministerin Eva Feußner

Frau Feußner, wir haben das gerade gehört. Warum hat diese Schule in Tröglitz immer noch so wenig Lehrer?

Ja wir haben, das ist nicht die einzige Schule in Sachsen-Anhalt. Wir haben auch in anderen Schulen noch Probleme, weil wir eben dort in manchen Regionen keine Lehrkräfte finden. Wir schreiben regelmäßig aus, aber es ist eben problematisch, wenn sich keiner bewirbt. Da müssen wir natürlich zu anderen Maßnahmen greifen und die werden wir dann gemeinsam mit dem Schulamt jetzt auch nochmal absprechen damit solche Schulen auch gut versorgt sind. Wir können nicht eine hundertprozentige Absicherung für alle Schulen versprechen.

Jetzt haben wir aber gerade gehört, der Vater der sagt: „Wir haben wirklich Angst, dass unsere Kinder Defizite entwickeln, die sie nicht mehr ausgleichen können im Lesen, Rechnen, Schreiben. Und das Problem scheint ja auch nicht neu zu sein in Tröglitz. Was können Sie den Eltern und Schülern jetzt sagen dort?

Na die Angst ist berechtigt. Natürlich haben die ein Recht auf eine auskömmliche Unterrichtsversorgung und das müssen wir auch als Schulamt und als Ministerium gewährleisten und dann haben wir natürlich Möglichkeiten da zu unterstützen und deshalb gibt es auch Gespräche gemeinsam mit dem Landesschulamt wie wir das machen können. Wir können natürlich durch Abordnung oder Versetzungen dann aus anderen Schulen versuchen diese Unterrichtsversorgung zu gewährleisten.

Und warum ist das bis jetzt nicht passiert?

Wahrscheinlich, weil auch sozusagen jetzt noch eruiert wird, zum Anfang des Schuljahres wo habe ich Reserven und wo kann ich jemanden wegnehmen um die Schule dort zu unterstützen. Und das wird immer, beginnt, dieser Prozess beginnt immer mit dem Anfang des Schuljahres.

Jetzt wurde viel in der letzten Zeit über Quereinsteiger gesprochen. Die sind als große Hoffnung gehandelt worden. Also Menschen die eigentlich aus anderen Berufen kommen und eben an der Schulfront mit anpacken sollen. Hat das was gebracht, oder wieviel hat das gebracht zur Entlastung?

Also wir haben jetzt im System ca. 1.400 Seiteneinsteiger, also Lehrkräfte im Seiteneinstieg. Es bringt sehr viel, die Lehrkräfte bringen gute Erfahrungen aus ihrem Berufsleben mit und bereichern auch den Schulalltag. Es ist natürlich auch so, dass man eine gewisse Willkommenskultur an den Schulen auch haben muss um die Seiteneinsteiger noch zu begleiten. Weil, das fachliche bringen die mit, aber das pädagogische und didaktische, da ist noch viel Unterstützung notwendig seitens der Schule aber auch seitens des Lesers und des Landesschulamtes.

Da ging jetzt, ich glaub die Zahl hab‘ ich hier parat, 20.000 Kinder beim Schulstart in die Schulen zur Einschulung. Haben die Kinder und die Eltern zurecht eine gute Hoffnung, dass da wirklich auch überall ein Lehrer steht vorne an der Tafel?

Ich hoffe das und wir werden auch noch die ersten 4 bis 6 Wochen brauchen um sozusagen das System in sich sozusagen zu amortisieren also wo man Mangel hat muss man gucken und wo man mehr hat, also das wird sozusagen noch nen gewissen Zeitdauer benötigen. Aber ich gehe davon aus, dass wir allen eine ordentliche Unterrichtsversorgung gewährleisten können.

© Michael Dauster E-Mail

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