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Forderungen aus dem Revier an die Kanzlerin

Forderungen aus dem Revier an die Kanzlerin

In Zeiten der Corona-Pandemie geriet die öffentliche Wahrnehmung der Bemühungen des Kernreviers um ein verträgliches Gesetzgebungsverfahren zum Kohleausstiegs- und zum Strukturstärkungsgesetz leider etwas ins Hintertreffen. Auch darum richten die Bürgermeister*innen der deutschen Braunkohlereviere folgenden neuerlichen Appell an die Bundeskanzlerin:

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Merkel,

vor rund einem Jahr haben wir – die BürgermeisterInnen und VertreterInnen der drei Braunkohlekernreviere in der Lausitz, in Mitteldeutschland und im Rheinischen Revier - uns das erste Mal gemeinsam in Form einer Erklärung an Sie alle gewendet. Wir haben mit den Fraktionen der im Bundestag vertretenen Parteien zahlreiche Gespräche geführt und immer große Zustimmung für die kommunalen Positionen gefunden. Insbesondere die Besuche bei SPD, CDU, Bündnis´90/Die GRÜNEN und bei der Linken haben uns darin bestätigt, dass unsere Forderungen richtig sind. Ebenfalls haben wir uns im Rahmen einer Art Anhörung vor Teilen des Wirtschaftsausschusses klar geäußert und Positionen der kommunalen Familie dargelegt. Im Januar dieses Jahres haben wir in der Hohenmölsener Erklärung vom 21.01.2020 direkt im Anschluss an den neuen Gesetzesentwurf zum Kohleausstieg nochmals gemeinsam Position bezogen und im Hinblick auf das weitere Gesetzgebungsverfahren wichtige kommunale Leitlinien definiert. In dieser Erklärung beziehen wir uns auf ein Positionspapier von SPD-Bundestagsabgeordneten aus dem Januar 2020, welches von Abgeordneten aus den Kohleregionen unterzeichnet wurde und unterstützten dies vollumfänglich. Dies wird, nach unseren Wissenstand, von einer großen Gruppe von Abgeordneten aus den Fraktionen des deutschen Bundestages der betroffenen Braunkohleregionen ebenfalls unterstützt.

In der Zwischenzeit ist viel passiert. Zum einen sind die Kommunen ebenso wie Bund und Länder damit beschäftigt, die Folgen der Corona-Pandemie zu lösen und in einen neuen Alltag hinein zu finden, der uns alle sehr fordert. Gleichzeitig laufen die Gesetzgebungsverfahren zum Kohleausstiegs- und zum Strukturstärkungsgesetz nun weiter. Wie wir feststellen gibt es zahlreiche Bund-Länder Gespräche und ebenso zahlreiche Verhandlungen zwischen den Regierungsfraktionen und den zuständigen Ministerien der Bundesregierung. Leider stellen wir auch fest, dass die kommunale Familie in diese Gespräche nicht eingebunden ist. Ebenso gibt es keine, oder nur sehr lückenhafte Informationen der Berichterstatter aus den Fraktionen.

Daher wenden wir uns heute – am Tag der weiteren Anhörung im Bundestag – an Sie alle. Für uns Kommunen gibt grundlegende Punkte, die nicht immer wieder neu verhandelt werden sollten, da sie allen im Verfahren Beteiligten Sicherheit geben und bereits mehrfach Konsens waren. Zu diesen Punkten gehören:

  1. Eine verbindliche Finanzierung des Ausstiegs und der Strukturstärkung in Höhe von 40 Mrd. €. Dieses Geld muss durch Bildung eines Sondervermögens für die kommenden 20 Jahre abgesichert werden. Alle „bis zu“-Formulierungen müssen endlich gestrichen werden – es gibt einen guten Grund, warum diese Summe verhandelt wurde. Wir bitte um einen Bund-Länder Vertrag, der dieses Sondervermögen auch formal absichert.

  2. Zentral ist eine Fokussierung auf die Kernreviere. In allen Braunkohlerevieren haben sich Initiativen gebildet, welche die Kommunen umfassen, die heute am stärksten abhängig von der Braunkohlewirtschaft sind. Es muss der Grundsatz gelten, dass Zukunftsinvestitionen dort getätigt werden, wo Arbeitsplätze und Wertschöpfung wegfallen. Ein großzügiges „Förderkonzept der Gießkanne“ lehnen wir ab. Wir, die Kommunen der Kernreviere, tragen die Hauptlast des Ausstiegs aus der Braunkohleverstromung. Bei uns brechen verlässliche Gewerbe- und Einkommenssteuerteile aus den kommunalen Haushalten weg, wir haben lokale Arbeitsmärkte, die über Jahrzehnte auf die Braunkohleindustrie fokussiert waren und hier muss die Bergbaufolgelanschaft attraktiv gestaltet werden. Damit wir den Umbau stemmen können, muss es privilegierte Förderungen der Kernrevieren geben.

  3. Damit unsere Unternehmen in den Regionen sich auf den Wandel einstellen können, alte Abhängigkeiten und Geschäftsmodelle verändern können, fordern wir weiterhin eine gesonderte Fördermöglichkeit für die regionale Wirtschaft nach Artikel 104b, 104c und 91a des Grundgesetzes. Damit neue Industrie in den Revieren entstehen kann und bestehende Unternehmen neue Geschäftsfelder entwickeln oder ausbauen können, fordern wir für unsere Unternehmen Investitionszulagen und Sonderabschreibungsmöglichkeiten für einen begrenzten Zeitraum.

  4. Weiteres zentrales Element sind neue Möglichkeiten der Planungsbeschleunigung. Hier haben wir bereits mehrfach die Idee von zeitlich und räumlich beschränkten Sonderplanungszonen in den Kernrevieren ins Spiel gebracht. Wir sind immer noch der Meinung, dass dieses Modell helfen wird, die Akzeptanz der Strukturwandelmaßnahmen in den Regionen deutlich zu erhöhen. Dazu soll beispielsweise im Regelverfahren der Aufstellung eines Bebauungsplanes generell die Regelungen des §13 und §13a BauGB („beschleunigtes Verfahren“) befristet anwendbar werden. Um die geordnete Entwicklung des Gemeindegebietes sicher zu stellen, sollen nur entsprechende Verfahren zulässig sein, die der Entwicklung neuer Gewerbe- oder Energieerzeugungsstandorte dienen (entsprechend der Baunutzungsverordnung sind dies: GE- oder GI- Gebiete sowie sonstige Sondergebiete für Hafengebiete, Hochschulgebiete und Gebiete für Anlagen, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung erneuerbarer Energien dienen. Zusätzlich sollen Ansätze erleichtert werden, die dabei eine verstärkte Integration von Urbanität und funktionaler Mischung anstreben). Außerdem fordern wir, dass zur Planungsbeschleunigung für alle Straßenbau- und Schienenprojekte in den Revieren das Bundesverwaltungsgericht erste und einzige Gerichtsinstanz für sämtliche Streitigkeiten ist. Konkret bedeutet dies, dass der Artikel 2 um alle Bundesfernstraßen aus der Anlage 4 Abschnitt 1 und Anlage 5 Abschnitt 1 ergänzt wird. Ebenso sollen alle Bundesschienenwege aus der Anlage 4 Abschnitt 2 und Anlage 5 Abschnitt 2 in Artikel 3 aufgenommen werden. Zur weiteren Beschleunigung von Straßenprojekten soll in §20 für die in Anlage 4 Abschnitt 1 genannten Bundesfernstraßen analog zu §21 für zusätzliche Schienenwege das verkehrliche und volkswirtschaftliche Nutzen für die Planfeststellung durch den Gesetzgeber festgestellt werden. Die hierdurch geschaffenen Flächen könnten sodann erschlossen werden und für Unternehmen der Pharmaindustrie, Lieferanten für Automobilindustrie und sonstige Gewerbe, Produktionsstätten genutzt werden, um die Unabhängigkeit unserer Wirtschaft für bevorstehende Globale Erscheinungen, vergleichbar der Corona Pandemie, zu stärken. Die Ziele der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung könnten somit erreicht werden. Diese Maßnahmen sichern zudem die Arbeitsplätze der Baubranche. Um die Energiewende zu erreichen müssen zudem die Kommunen und Länder in die Lage versetzt werden, die notwendige Ladeinfrastruktur für Wasserstoffmobilität oder Elektromobilität auszubauen. Dies würde in der Folge zu neuen Innovationen und Entwicklungen in der Automobilindustrie beitragen.

  5. Die Reviere haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Projektideen für einen gelingenden Strukturwandel entwickelt. Diese können zeitnah umgesetzt werden und helfen, zum einen den Strukturwandel zügig einzuleiten und zum anderen damit auch Corona bedingte negative Wirtschaftseffekte durch ein gezieltes antizyklisches Investitionsverhalten zu mindern und die Gesamtwirtschaft somit zu stabilisieren. Durch die von uns genannten verschlankten Planungsprozesse und ein gezieltes und zügiges Projektauswahlverfahren in den Regionen können nachhaltige Impulse gesetzt werden und aktuelle Verfügbarkeiten von Planungsbüros und Architekten für ein schnelles Wiederanfahren der Wirtschaft in Kombination mit einer Beschleunigung des Strukturwandels gelingen. Wenn wir jetzt an den richtigen Stellen investieren, zahlt das auch auf den gesamten Bereich der Energiewende ein. Ebenfalls müssen hierzu die Kommunen und Länder in die Lage versetzt werden, die notwendige Ladeinfrastruktur für Wasserstoffmobilität oder Elektromobilität auszubauen. 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir, die BürgermeisterInnen der Kommunen in den Braunkohleregionen sind nach wie vor bereit den Wandel zu gestalten, wollen produktiver Partner sein -auch und gerade vor der zusätzlichen Herausforderung der Corona-Pandemie. Diese Pandemie verdeutlicht, wie wertvoll die von uns allen geleistete Arbeit der vergangenen Jahre nun sein kann. Wir haben neue Instrumente für eine dynamisierte wirtschaftliche Entwicklung für einen gelingenden Strukturwandel entwickelt, welche eine Blaupause für den Neustart der deutschen Wirtschaft während und nach der Corona-Pandemie sein kann.

Wir hoffen in dieser besonderen Zeit auf Ihre Unterstützung und bieten uns als Partner vor Ort nochmals ausdrücklich an – wir kennen lokale Herausforderungen und Chancen und können jederzeit helfen eine gemeinsame Erfolgsgeschichte neue zu schreiben. Dafür bedarf es allerdings einer engen Kommunikation und auch einer Beweglichkeit auf ALLEN Seiten. Wir sind der festen Überzeugung, dass die Kommunen nichts Unmögliches fordern, sondern von Pragmatismus getrieben nach Lösungen für riesige Herausforderungen suchen. Lassen Sie uns den weiteren Weg partnerschaftlich zu Ende gehen. Wir freuen uns von Ihnen zu hören, kommen aber auch unaufgefordert auf Sie zu.


Für die deutschen Braunkohlereviere

Christine Herntier und Torsten Pötzsch
Lausitzer Revier

Marcel Schneider
Mitteldeutsches Revier

Sascha Solbach, Andreas Heller und Thomas Hissel
Rheinisches Revier

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Gemeinsamer Apell der Bürgermeister*innen und Vertreter*innen der drei Braunkohlereviere in der Bundesrepublik Deutschland
0.4 MB

© Michael Dauster E-Mail

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